Die Oberförsterei Hartmannsdorf - eine Erbförsterei 

Seitdem die Waldungen aufgehört hatten, Gemeingut aller zu sein, wurden Forstschutzgesetze von den Landesfürsten erlassen und zu deren Durchführung werden wohl auch unverweilt Waldaufsichtspersonen und speziell auch »Oberförster« in Tätigkeit getreten sein.
Bei dem überraschend lange bestehenden Mangel an Forstschulen - 1750 die erste praktische Privatforstlehranstalt zu Ilsenburg am Harz errichtet, 1770 in Berlin, 1785 in Kiel, 1787 in Freiburg, 1811 in Tharandt - wurden Forstlehrlinge bei den Reviervorständen herangezogen, in der Regel werden es wohl deren Söhne gewesen sein. Sie wurden später dem Vater als »Adjunkt« beigegeben und erhielten dann auch in den meisten Fällen den Posten ihres Vaters, und so kam es, daß oft mehrere Generationen ein und dasselbe Forstrevier durch Jahrhunderte hindurch verwalteten. Es waren dies dann in praxi gewissermaßen Erbförstereien, und eine solche scheint auch die Hartmannsdorfer Oberförsterei gewesen zu sein.

Die Filzförsterei in Hartmannsdorf heute

 

Der ehemalige Wiesenburger Wald, das jetzige Staatsforstrevier Hartmannsdorf, hat einen Flächeninhalt von rund 1650 Hektar an und, bei einer Breite von 1 bis 5 km, eine Länge von 9 km. Ursprünglich bestand der Wald aus dem zur Herrschaft Wiesenburg gehörigen Unter- oder Niederforst und dem kleineren, südlicheren, den Herren von Bünau auf Bärenwalde und Lichtenau gehörigen Oberforst.
Anno 1596 vereinigte der Rat zu Zwickau, der damalige Besitzer von Wiesenburg, beide durch Ankauf dieser Dörfer. Vereinigt gingen sie 1618 mit der gesamten Herrschaft Wiesenburg käuflich an Kurfürst Johann Georg I. über. Den Niederforst allein erwarb mit Wiesenburg und Zubehör 1663 Herzog Philipp Ludwig aus dem Hause Holstein-Sonderburg von Kurfürst Johann Georg II., doch rundete er vier Jahre später seinen schönen Besitz durch Zukauf des Oberforstes für den Preis von 14000 Thaler in der alten Weise wirkungsvoll ab. Als wohlbestallter kurfürstlicher Oberförster nun amtierte in Hartmannsdorf bis zu dem entscheidenden Jahre 1663 Johann Georg Günther. Dies geht hervor aus einem Härtensdorfer Kirchenbucheintrag, wonach bei einem Kinde des Försters Schauer in Wildenfels »Frau Anna, des churf. sächs. Oberförsters Johann Georg Günther in Hartmannsdorf Eheweib«, am 20. November 1658 Pate stand. Auch weist das Kirchberger Kirchenbuch die Taufe eines Sohnes Günthers in Hartmannsdorf am 24. Oktober 1657 nach.
Günther, 1617 als Sohn des Oberförsters Hans Günther in Burkhardtsgrün geboren, war nach Ausweis der Kirchenbücher von Kirchberg und Schneeberg im Jahre 1663 noch in Hartmannsdorf, im Jahre 1665 findet er sich aufgeführt als churf. sächs. Oberförster der Ämter Wiesenburg und Planitz, denn der Kurfürst hatte sich beim Verkauf der Herrschaft Wiesenburg einen Teil des Wiesenburger Waldes - den Oberforst - vorbehalten und Planitz gehörte schon länger dem Kurfürsten.
Während nun Günthers Amtssitz nach Schneeberg verlegt wurde - die Oberförsterei, die unweit von St. Georg stand, wurde am 17. Februar 1670 nachts durch ruchlose Hand niedergebrannt -, wurde von seiten der Herrschaft Wiesenburg Andreas Holl als Oberförster angestellt und dieser zog in das Forsthaus Hartmannsdorf ein. Derselbe war es noch 1689.
Andreas Holl ist das 3. Kind von 9 des Hartmannsdorfer Försters Christoph Holl. Sein Großvater ist der Churfürstliche Wiesenburger Amtsfischer und Maurer Johann Holl in Hartmannsdorf. Verheiratet hat sich Andreas Holl am 17. Oktober 1659 mit Maria Leibwein aus Werdau. Zu erwähnen ist noch, das der 1. Sohn, Johann Christian, Pfarrer von Fraureuth und Kirchberg und sein Sohn, Eusebius Christian wiederum ebenfalls das hiesige Pfarramt verwaltete.
Außerdem wird ein Forstmeister Hans Friedrich von Löben im Schönauer Kirchenbuch 1667 genannt; 1665 und 1677 kommt ein Hofjäger Hans Adam Falke, 1683 ein Jäger Christopf Oettel und dann zwischen 1689 - 1719 die Jäger Adam Schmidt, Kaspar Tittel, Georg Haderlich und Gottfried Dietz vor, die alle in dem fürstlich gehaltenen herzoglichen Dienst standen.
1689 gab nun der Schneeberger Oberförster Johann Georg Günther seinen Dienst auf, und sein Sohn Georg Heinrich Günther, der ihm einige Jahre vorher schon als Adjunkt beigegeben worden war, wurde am 11. Juli 1689 vom Kurfürst Johann Georg III. als Oberförster »für unsere Güter Wiesenburg und Planitz« ernannt.

Das neue Forsthaus

 

Sein Diensteinkommen betrug außer freier Wohnung, Dienstäckern, Jagdnutzung etc. jährlich 70 Gulden, auch erhielt er für sein Dienstpferd jährlich 25 Scheffel Hafer.
Der neue Oberförster Georg Heinrich Günther, der bis 1695 im Schneeberger Kirchenbuch aufgeführt ist, wechselt seinen Amtssitz, denn nach einem Kirchberger Kirchenbucheintrag vom 27. September 1700 war er damals in Jahnsgrün, wo sein Forsthaus stand.
Zwischen ihm als Verwalter des Churfürstlichen sächsischen Forstes, und den Forstbeamten des Herzoglich Holsteinischen Wiesenburger Waldreviers, scheint nun nicht gerade das beste Einvernehmen geherrscht zu haben; die Beschwerden über ihn, der Übergriffe nicht vertragen konnte und seinem Waldnachbar scharf auf die Finger gesehen haben mag, kamen zu Ohren des Herzogs, und dieser soll - nach einer Familienüberlieferung - seinem Ärger über Günther in den Worten Luft gemacht haben: »Schießt mir den schwarzen Hund tot.« Günther soll nämlich schwarzes Haupt- und Barthaar gehabt haben.
Günther seinerseits war aufbrausend, und bei der geringsten Veranlassung soll er die Worte im Munde geführt haben: »Hol’s der Teufel!« Wen oder was der Beherrscher der Finsternis holen sollte, soll er dabei niemals gesagt haben. Georg Heinrich Günther, der mit der Tochter des Kircheninspektors Sell aus Cölln verheiratet war, starb vor 1731. Amtsnachfolger wurde sein Sohn gleichen Namens. Georg Heinrich Günther II., der ihm schon 1721 als Adjunkt beigegeben worden war. Dieser hatte, wie sein Vater zuletzt, seinen Amtssitz in Jahnsgrün, und erst nach Wiedererwerbung der Herrschaft Wiesenburg durch König Friedrich August den Starken (1724) finden wir den Oberförster Georg Heinrich Günther jr. wieder im Hartmannsdorfer Forsthause.
Er war verheiratet mit Christiane Sophie geb. von Stahoffsky, Friedrich Sebastian Stahoffskys, des hochherrschaftlich Burguffelschen (Uphelischen) Hauses (in Hessen) Verwalters hinterlassener Tochter.
Dieser Ehe entstammten 10 Kinder; nach dem 1749 erfolgten Tode seiner Ehefrau schloß Günther 1750 die zweite Ehe mit der noch sehr jugendlichen, nämlich erst 19-jährigen Tochter seines Vice-Försters Georg Adolph Mirus (in Jahnsgrün), namens Johanne Charlotte. Dieser Ehe sind bis 1769 noch 7 Kinder entsprossen.

Altes Forsthaus - Eißmann-Haus, heute Eigentum der Familie Bauer

 

Georg Heinrich jr. soll sehr jähzornig gewesen sein. Als einst sein 1739 geborener Sohn Christian Heinrich Günther, der beim Vater als Forstlehrling diente, müde und hungrig aus dem Revier heimkam und von seiner Stiefmutter, die er wegen ihres jugendlichen Alters wenig ästimierte, Essen verlangte, diese aber nicht gleich seinem Wunsche entsprach, gab er ihr ein paar Ohrfeigen, verließ aber alsbald aus Furcht vor seinem ebenso jähzornigen Vater die väterliche Wohnung, unter Mitnahme seiner Jagdausrüstung, und zog in die Welt in der Hoffnung, vielleicht in Polen Angehörige seiner verstorbenen Mutter zu finden. Nach vielen Entbehrungen und Abenteuern traf er endlich in Warschau ein. Unterwegs hatte er Händel mit einem Kellner, den er nach einem Wortwechsel kurzerhand unter den Schanktisch warf; einen Polen, der ihn als ein ausweislosen Fremden arretieren lassen wollte, verwundete er mit seinem Hirschfänger derart am Hals und an der Schulter, daß diesem später der Kopf schief auf dem Halse saß.
In Warschau suchte er nun zunächst einen früheren Forstgehilfen seines Vaters, namens Huthsteiner aus Giegengrün, der, wie er wußte, zum Militär nach Polen gegangen war, zu ermitteln. Er wähnte, ihn als einfachen Soldaten wiederzufinden, erstaunte aber nicht wenig, als er hörte, daß jener beim sächsischen Regiment in Warschau zum Obersten geworden war.
Er suchte ihn auf, entdeckte ihm seine Lage und fand in Huthsteiner einen Beschützer, der ihm schließlich zum persönlichen Dienst bei dem in Warschau stehenden sächsischen Prinzen Clemens empfahl. Oberst Huthsteiner war der älteste (Christian geb. 20.9.1707) oder der zweitälteste (Michael, geb. 30.09.1709) Sohn des Hartmannsdorfer Leinwebers und Kirchenvorstehers Michael Huthsteiner und dessen Ehefrau 1. Ehe Rosina, Christoph Hoffmanns Tochter. Georg Huthsteiner und Michael Huthsteiner, der um 1600 geb. Schuhmacher, sind Michaels Vater und Großvater.
Bei ihm machte sich Günther als Leibjäger und Leibdiener in jeder Weise nützlich. Nach einer Familienüberlieferung soll er dem Prinzen, der einen sehr starken Bartwuchs hatte und deshalb sehr umständlich zu rassieren war, regelrecht einen Kindereßlöffel in den Mund gesteckt und den Backen damit herausgedrückt haben, um ihn so besser rasieren zu können; er hat ihn also im wahren Sinne des Wortes »über den Löffel barbiert«. Prinz Clemens vermittelte auch schließlich eine Aussöhnung zwischen Vater und Sohn und verschaffte dem letzteren freies Geleit zur Rückkehr. Christian Heinrich Günther trat nun nach seiner Rückkehr wieder in den Forstdienst und zwar bei dem Förster Korb auf dem Ostranvorwerk. Sein Vater starb am 10. März 1786 in Hartmannsdorf und überließ ihm vorher das Freigut Neuheide bei Schönheide, das er für die Folge bewirtschaftete als Erb-, Lehn- und Gerichtsherr. Er war verheiratet mit Auguste Louise von Watzdorf auf Rodewisch und starb am 11. Juni 1826.
Vierter Oberförster in Hartmannsdorf aus der Familie Günther wurde 1756 sein ältester Bruder Karl Ernst Günther, daselbst geboren den 26. Juni 1727. Man kann also hier von einer Erbförsterei reden. Das Forsthaus in Jahnsgrün ist abgebrannt; in dem neu aufgebauten, dem Staate gehörigen Hause wohnt jetzt ein Privatmann, und das alte Forsthaus zu Hartmannsdorf an der Dorfstraße ist seit Errichtung des neuen Oberförstereigebäudes in den Besitz der Familie Eismann übergegangen.

Försterloge in der Kirche zu Hartmannsdorf

 

An der Kirche zu Hartmannsdorf sind heute noch Grabplatten, die sich auf Glieder der Günther’schen Familie beziehen, eingemauert zu sehen, aber nur sehr schwer zu entziffern. Das in der Kirche befindliche »Jägerchor« endlich ist 1724 stattlich erneuert worden.

(Quelle: Alt-Kirchberg, Mitteilungen des Altertumsverein Kirchberg,
Heft 3/1911,12, Ad. Göbel, Wiesenburg), R.P./W.P.